Nach über 25 Jahren unermüdlichen Engagements wurde das Begleitprojekt ACOGUATE Ende 2022 beendet. Wir bedanken uns für den Einsatz unzähliger ehren- und
hauptamtlicher Mitarbeiter:innen sowie Unterstützer:innen, die sich in den letzten Jahrzehnten im Zeichen Menschenrechte in Guatemala und Österreich engagierten.
In Zusammenarbeit mit elf anderen internationalen Organisationen und Solidaritätskomitees aus zehn Ländern beteiligt sich die Österreichische Guatemala Solidarität als ADA (Acompañamiento de Austria) in ACOGUATE, einem Projekt der internationalen Begleitung und Menschenrechtsbeobachtung in Guatemala. Davon ist ein Projektzweig der Begleitung von ZeugInnen in zwei Gerichtsprozessen gegen ehemalige Machthaber wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Genozid gewidmet. In einem zweiten Teil des Projekts werden bedrohte Personen und Organisationen begleitet, die sich der Verteidigung der ökonomischen, sozialen und kulturellen sowie "traditionellen" individuellen Menschenrechte verschrieben haben.
Das Projekt der ZeugInnenbegleitung erfolgt in Zusammenarbeit mit der guatemaltekischen Menschenrechtsorganisation CALDH (Centro de Acción Legal en Derechos Humanos) sowie des ZeugInnenverbandes AJR (Asociación por la Justicia y Reconciliación). Seit Ende der 1990er Jahre untersucht CALDH die Verbrechen der beiden Regime von Romeo Lucas García und Efrain Ríos Montt. Dabei handelt es sich um Delikte wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord und Totschlag, Vergewaltigung und Raub in den Jahren 1981 und 1982. Im Mai 2000 wurde mit Unterstützung von CALDH und den BewohnerInnen von neun Dörfern im Fall Lucas García Anzeige erstattet. Im Fall Rios Montt reichten 13 weitere Gemeinden ein Jahr später die Klage ein. Ein wichtiger Punkt in diesem Projekt ist die Beteiligung der Opfer und deren Familien und ihre freiwillige Entscheidung, öffentlich auszusagen. Derzeit beteiligen sich an den Prozessen rund 130 Personen als ZeugInnen, die in 22 Dörfern in fünf verschiedenen Regionen des Landes leben.
Im Gegensatz zu den Menschenrechtsberichten "Nunca Más" (1998) des Menschenrechtsbüros der Erzdiözese Guatemala sowie "Guatemala, Memoria del Silencio" (1999), der UNO-Wahrheitskommission CEH (Comisión de Esclarecimiento Historico), die beide auf anonymen Aussagen basieren, treten in den Gerichtsverfahren von CALDH die Opfer persönlich als ZeugInnen der Anklage auf. Eine der großen Sorgen in diesem Prozeß ist die physische Sicherheit der beteiligten Personen.
Durch die internationale Präsenz sollen die Risiken der ZeugInnen sowie der anderen Gemeindemitglieder vor allem während des Gerichtsprozesses minimiert werden. Daher schlossen sich im Februar 2000 zur Realisierung dieses Projektes Organisationen aus den USA, Quebec, Österreich und ab 2003 aus Schweden zur CAIG (Coordinación de Acompañamiento Internacional en Guatemala) zusammen, um eine optimale Koordination und Durchführung der Begleitung garantieren zu können. In den darauffolgenden Jahren haben sich auch Solidaritätskomitees aus Frankreich, Dänemark, Grossbritannien, Schweiz, Deutschland und Kanada in die CAIG integriert und entsenden regelmässig freiwillige BegleiterInnen. Seit Anfang Mai 2000 sind damit laufend freiwillige BegleiterInnen im Einsatz, wofür es ein eigenes Koordinationsbüro in Guatemala-Stadt gibt.
Seit dem Jahr 2001 konzentriert sich die CAIG zusätzlich auf die Begleitung von Menschenrechtsorganisationen und Einzelpersonen. Diese wurden auch unter der Regierung von Oscar Berger in besorgniserregendem Maße Opfer von Drohungen und Überfällen, eine Tendenz, die unter der aktuellen Regierung von Alvaro Colom anhält. In der internationalen Begleitung sehen sie eine der wenigen Möglichkeiten, sich vor Übergriffen zu schützen.
Zu dem Element der physischen Präsenz und Begleitarbeit kommt für die internationalen BegleiterInnen die Aufgabe der Dokumentation von Übergriffen auf MenschenrechtsverteidigerInnen hinzu. Diese Informationen werden dann auf nationaler und internationaler Ebene weitergeleitet. Parallel dazu werden nach Absprache mit den nationalen Menschenrechtsorganisationen auch die diplomatischen Vertretungen der CAIG-Länder in regelmässigen Abständen über die Situation der MenschenrechtsverteidigerInnen informiert.
Aktuelle Informationen des Begleitprojekts von ACOGUATE können unter www.acoguate.org abgerufen werden.
Mehr als eine Million Menschen musste in Guatemala vor allem in den 80er Jahren vor Massakern flüchten, die grösstenteils vom Militär an der Zivilbevölkerung begangen wurden. Mehr als 440 Dörfer wurden zerstört, über 100.000 Menschen flüchteten ins benachbarte Mexiko, wo sie bis zu 15 Jahre in Flüchtlingslagern lebten und sich nach und nach organisierten, um eine Rückkehr nach Guatemala zu ermöglichen. Am 8. Oktober 1992, noch vor Ende des bewaffneten Konflikts, unterschrieben sie einen Vertrag mit der guatemaltekischen Regierung, der unter der Schirmherrschaft der UNO eine friedliche, kollektive Rückkehr vorsah. Dieser Vertrag sah auch die Begleitung durch internationale BeobachterInnen während der Rückkehr und für die Zeit des Integrationsprozesses vor. Im Dezember 1996 wurde mit der Unterzeichnung der Friedensverträge dem 36jährigen Bürgerkrieg ein Ende gesetzt, doch die Rückführungen dauerten bis 1999 an. Die Österreichische Guatemala Solidarität bzw. ihre Vorgängerorganisation beteiligte sich daran ab 1995 in Zusammenarbeit mit anderen internationalen NGOs, wobei 44 kollektive Rückführungen begleitet wurden. Insgesamt konnten auf diese Weise ca. 30.000 Leute in ihre Heimat zurückkehren.
Offiziell herrscht in Guatemala seit 1996 Frieden, aber nach wie vor besteht die Notwendigkeit und der Wunsch seitens guatemaltekischer Menschenrechts- und Volksorganisationen, auch in Zukunft eine internationale Präsenz in Guatemala zu garantieren. Diese Anfrage hängt auch mit dem bereits im Jahr 2004 erfolgten Rückzug der UN-Beobachtungsmission Minugua aus Guatemala zusammen.
Auch unter den Nachkriegsregierungen bleibt das Land von einem hohen Gewaltniveau geprägt, wobei auch die systematischen Menschenrechtsverletzungen anhalten. Die Hoffnungen, die an die Unterzeichnung der Friedensverträge geknüpft waren, haben sich bislang nicht erfüllt.
Unter der aktuellen Regierung von Alvaro Colom, die seit Jänner 2008 an der Macht ist, scheint sich die Nichtumsetzung der in den Friedensabkommen festge-schriebenen Maßnahmen zur Befriedung der Gesellschaft und zur Lösung der strukturellen Probleme des Landes fortzusetzen. Während sich die Regierung diskursiv als sozialdemokratisch bezeichnet und sich der Menschenrechtsthemen annimmt, hat sich in der Praxis vor allem eine Fortsetzung der Kriminalisierung von sozialen Bewegungen gezeigt. Zugleich brachte die Aufnahme von früheren AktivistInnen aus dem Menschenrechtsbereich in Funktionärs- und Sekretariatspositionen nicht nur eine Schwächung und Desartikulierung ihrer ehemaligen Organisationen mit sich, sondern löste auch in anderen Teilen der Zivilgesellschaft Unsicherheit über eine Positionierung gegenüber der Regierung aus.
Bestand anfangs die Tätigkeit der BegleiterInnen der Guatemala Solidarität hauptsächlich darin, durch ihre physische Anwesenheit im Dorf ehemalige Flüchtlinge vor gewaltsamen Übergriffen durch Militär und paramilitärische Einheiten zu schützen, so wurde die Arbeit kontinuierlich an den Kontext und die Anfragen der guatemaltekischen Zivilgesellschaft angepasst. Ab dem Jahr 2000 spezialisierte sich die Begleitung auf ZeugInnen, die in Gerichtsverfahren zur Aufklärung von Massakern teilnehmen. In den darauf folgenden Jahren kam auch die Begleitung und Zusammenarbeit mit Volks- und Menschenrechtsorganisationen dazu, welche unter anderem in Landkonflikten, im Kampf gegen die Straflosigkeit, der Ausbeutung von Bodenschätzen und im Widerstand gegen die neoliberale Ausbeutungspolitik aktiv sind. Diesen Anforderungen kommen wir durch die Entsendung von Freiwilligen für die Begleitarbeit nach.
Vorbereitung und Betreuung in Österreich
Ausbildung und Betreuung in Guatemala